28.08.2023, 09:21 Uhr | bke-Claudia
Alles verque(e)r?
Vielleicht ist es dir schon aufgefallen: Gerade ist überall eine Regenbogenfahne zu sehen. Sie war ursprünglich Symbol für lesbischen und schwulen Stolz sowie die Vielfalt homosexueller Lebensweisen und steht heute für die queere Bewegung im Allgemeinen. Aber Moment, was ist das überhaupt: queer?
Der Begriff „queer“ kann tatsächlich viele Bedeutungen haben. Er wird oft als Sammelbegriff für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche (LSBTI) Menschen verwendet und vor allem seit den 90er Jahren als positive Eigenbezeichnung benutzt. Queer kann sich auch auf sexuelle Neigungen oder Geschlechtsidentitäten beziehen, die sich jenseits der Kategorien „Mann“ und „Frau“ oder „heterosexuell“ und „homosexuell“ verorten.
Bevor wir das ein bisschen sortieren, müssen wir uns den Begriff „Geschlecht“ hier nochmal genauer anschauen. Das Geschlecht, das dir bei der Geburt zugewiesen wurde, muss nicht deinem Zugehörigkeitsgefühl zu einem, keinem oder mehreren Geschlechtern entsprechen. Bei deinem Gender (soziales Geschlecht, Geschlechtsidentität) geht es um deine Körperwahrnehmung, Kleidung, Sprache, Verhaltensweisen. Mögliche Geschlechtsidentitäten sind weiblich, männlich, trans oder nicht-binär. Trans meint, dass du dich dem anderen als dem dir bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zugehörig fühlst; nicht-binär, dass du dich zwischen oder außerhalb der Kategorien „männlich“ und „weiblich“ fühlst. Wichtig ist: In anderen Kulturen war es schon vor hunderten Jahren ganz normal, sich nicht als „weiblich“ oder „männlich“ zu identifizieren. Der Zwang, sich traditionellen Geschlechterdefinitionen anzupassen, kommt vor allem aus Gesellschaft und Erziehung. Hier passiert gerade eine große Veränderung, wenn gefühlt auch viel zu langsam.
Manchmal wirken die vielen Begriffe abschreckend und werfen Fragen auf: Muss ich mich einer Kategorie zuordnen? Was, wenn ich das nicht kann oder möchte? Mit wem und wie kann ich darüber sprechen?
Diese Woche geht es darum, euch hier einen sicheren Raum zum Austausch über „Queerness“ zu geben. Wie erlebt ihr heute die Geschlechtererziehung? Welche Veränderungen empfindet ihr als positiv, wo seht ihr vielleicht zu wenig Wandel (der fängt ja bekanntlich in den Köpfen an)? Durftet ihr wählen, womit ihr spielen, was ihr anziehen wolltet? Wie reagieren Eltern gut auf ein Kind, das sich nicht so identifiziert oder nicht so liebt, wie sie das vielleicht erwartet haben? Wie können Verständnis und Unterstützung hier aussehen?
Vielleicht habt ihr eigene Erfahrungen mit dem Thema, die ihr teilen möchtet, oder ihr habt Fragen, Gedanken, andere Gefühle, vielleicht sogar Sorgen. Fühlt euch frei, sie hier mitzuteilen.
bke-Claudia Rohde
26.09.2023, 04:21 Uhr | Kyeane
Guten Morgen,
Wenn man jemanden, dessen Identität männlich ist, aber in weiblichem Körper geboren wurde und der damals auch noch weiblich aussah, besonders mag, was für eine Orientierung hat man dann? Oder war er mir einfach nur besonders angenehm, weil wir uns einfach besser verstanden haben als ich mich mit anderen verstehe? Es ist auch lange her, aber es war traurig, ihn nicht mehr sehen zu können. Ich kannte ihn eigentlich kaum - wir waren im Feriencamp im selben Zimmer und manche haben Witze darüber gemacht, dass wir schon fast Händchen halten würden. Eine Betreuerin meinte wir sollten eine Hochzeit spielen und uns schön machen. Aber wie hatten nichts schönes zum Anziehen und die Betreuerin meinte, dass einer von uns ein Kleid anziehen solle und wir tragen keine Kleider und haben der Betreuerin danm zwei andere Personen gesucht, die Rollenspiele mögen. Was ist meine (romantische) Orientierung (demi...romantisch?)? Ich weiß es nicht. Ich bin geschlechtslos... Aber es ist wirklich etwas verwirrend.
Im selben Feriencamp haben sich ein Jahr später fast alle Jungen (die meisten bis alle wahrscheinlich mit männlicher Geschlechtsidentität - in dem Camp gab es kaum Mädchen) die Nägel rot lackiert. Ich war so ziemlich die einzige, die keinen wollte. Früher mochte ich bunten Nagellack aber ganz gerne.
Es hat auch ein Junge, mit dem ich viel geredet habe, eine Krone aufgesetzt. Es dachte irgendwie jeder, dass wir verliebt seien, aber ich mochte ihn eher als lockeren Freund.
Ich weiß auch nicht wie ich männlichen Personen sagen soll, dass ich gerne nur normal mit ihnen befreundet wäre, aber rein theoretisch ist es nichtmal für mich möglich, mit männlichen Personen befreundet zu sein, wenn diese jemals versucht haben mit mir zu flirten oder wie man das nennt. Das finde ich sehr eklig. Vor allem wenn es sich um Fremde handelt. Rein theoretisch fände ich es aber mit so ziemlich allen meinen weiblichen Freunden schön, es mir mit einer Kerze oder ähnlichem bequem zu machen oder mich an sie zu kuscheln. In der Grundschule wollte ich eine Freundin mal umarmen und küssen, durfte es aber nicht, weil sie das nicht wollte. Eine andere Freundin wollte ich gerne über den Kopf streicheln, um sie zu trösten, aber sie wollte nicht, weil sie kein Hund sei.
In der Kindergartenzeit hätte ich mich gerne im Urlaub neben einen guten Freund ins Bett gelegt, den ich aus dem Kindergarten kannte. Ich fand es auch traurig, dass ich keine Gute Nacht Geschichte vorgelesen bekommen habe, er hat im Nebenraum jeden Tag eine vorgelesen bekommen. Ich durfte auch nie bei ihm übernachten.
Im Hort war ich in der 1. Klasse auf Hortfreizeit und habe mir ein Zimmer mit zwei Jungen und einem Mädchen geteilt. Wir wollten in ein Zimmer und die Erzieher meinten, wir sollen uns auf der Toilette umziehen. Meine Mutter fand das nicht so gut. In der dritten Klasse auf der Hortfreizeit musste ich mir ein Zimmer mit unsympathischen Mädchen, die mich nicht leiden konnten, teilen.
Generell habe ich eine Abneigung gegen männliche Fremde und gegen typisch weibliche Menschen, weil ich keine sonderlich tollen Erfahrungen damit gemacht habe.
Ich finde das sehr kompliziert!
Viele Grüße
Zuletzt editiert am: 26.09.2023, 04:29 Uhr, von: Kyeane
✨☁️☮️⬛ ~ ⬛⚙️☁️☘️☁️⚙️⬛
23.09.2023, 21:54 Uhr | bke-Stephan
Hi,
natürlich ist eine Diskussion viel besser als ein "stimmt" .
Ich habe versucht, meine Haltung so gut darzustellen, wie es mir möglich ist. Einfach "ja" oder "nein" zu sagen, das kann ich hier nicht. Dafür wäre es immer viel zu persönlich, individuell und nicht pauschal zu beantworten.
Viele Grüße,
bke-Stephan
23.09.2023, 21:09 Uhr | Einhorn1
Nur ein "stimmt" würde aber keine Diskussion und keinen Denkprozess in Gang bringen.
Ich erkenne an, du hattest den Mut, auf die Fragen zu antworten. Ich stelle aber fest, auf keine Frage gab es ein eindeutiges Ja von dir. So eindeutig wie auf dein allgemeines Bekenntnis zur Toleranz.
1. Frage: Du würdest es nicht ausdrücklich verbieten. Würdest du ihm das rosa Kleid auch kaufen, wenn er es haben will, oder würdest du es nicht verbieten, aber dadurch verhindern dass er die Möglichkeit hat?
3. Frage: gut ausgewichen Zusatz, wenn du Single wärst oder polygam.
4. Frage: Ab 14 Jahre ginge es für dich als Vater also klar, auch mit Sex, wenn sie die Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung hat und ab 16 wenn der 50 Jahre alte Mann keine Zwangslage beim Sex ausnutzt? Und ohne sexuelle Handlungen wäre eine Liebesbeziehung vom Alter der Tochter unabhängig für dich gar kein Problem?
23.09.2023, 20:27 Uhr | bke-Stephan
Hallo Einhorn,
das es "stimmt" würde mir eigentlich reichen . Du stellst gute Fragen, ich gebe mal ein paar Antworten, die explizit persönlich sind und denen ich keine allgemeine Gültigkeit zuschreiben möchte.
Es ist schade, dass das mit dem anders sein und fühlen oft ein Problem ist. Ich würde mit meinem Kind reden, ihm sagen, dass andere vielleicht doof reagieren könnten, weil nicht alle den gleichen Geschmack haben, bzw. mit Dingen, die nicht mainstream sind, nichts anfangen können (natürlich das Ganze ausführlicher und kindgerechter). Aber verbieten würde ich es nicht, mir allerdings Sorgen machen, ob es meinen Kind dann gut geht.
Geschlechtliche und sexuelle Selbstbestimmung finde ich richtig und notwendig. Als Papa wäre ich dennoch besorgt, aber sich Sorgen machen gehört zum Eltern-sein dazu.
Mit mir in eine Liebesbeziehung gehen? Da hat nur eine eine Chance und mit der bin ich zum Glück zusammen. ❤️ Liebe ist ja aber auch eine so schöne und so komplexe Angelegenheit. Wer sich in wen verliebt lässt sich zum Glück nicht zielgenau steuern. Wer beim wem Chancen hat, da wäre ich froh, wenn auch das nicht lenkbar wäre. Aber das kann tatsächlich auch vom Umfeld, von der Gesellschaft, von Normen und Werten und sicher noch vielem Anderen beeinflusst werden und ich wäre froh, wenn hier der Horizont immer größer werden würde.
Jugendliche und 50-jährige? Tatsächlich finde ich hier unsere gesetzlichen Bestimmungen sehr passend, weil dadurch Kinder und Jugendliche geschützt werden.
Viele Grüße,
bke-Stephan
23.09.2023, 19:51 Uhr | Einhorn1
Ich meine, dass das zwar stimmt. Aber -
Grundsätzlich tolerant sein und das sagen ist leicht. Bei den meisten Menschen hört die Toleranz an der Stelle auf, oder sie stößt an Grenzen, an der sie selbst betroffen sind.
Ist es immer noch so eindeutig egal, wenn dein Sohn mit rosa Kleid und Glitzerschuhen in den Kindergarten oder die Schule gehen will?
Wenn deine Tochter eine Umwandlungsoperation macht und einen männlichen Vornamen annimmt?
Wenn sie als Jugendliche mit einem 50 Jahre alten Mann zusammen sein will, weil sie ihn liebt?
Wenn sich ein Mann oder eine Trans-Frau in dich verliebt? Haben sie die gleichen Chancen auf eine Beziehung mit dir wie andere Menschen?
23.09.2023, 19:13 Uhr | bke-Stephan
Liebes Forum,
meist versuche ich ja, ganz nett zu sein. Bin aber ehrlicherweise schon auch mal (zu schnell) genervt oder in meinem Urteil über die verschiedensten Dinge etwas voreilig. Was ich allerdings noch nie verstanden habe: Wie kann irgendjemand etwas dagegen haben, dass ein Mensch einen Menschen liebt? Egal welches Geschlecht, egal welches Alter (natürlich spreche ich hier nicht von sexueller Ausbeutung, sondern von Liebe), egal welche Hautfarbe? Warum sollte es eine Rolle spielen, ob das homo, trans oder sonst eine Bezeichnung hat? Klar sind auch Bezeichnungen wichtig, um eine Gesprächsgrundlage zu haben, um sich selbst auch einordnen zu können. Aber erst einmal ist die Liebe das entscheidende.
Dies meint, hoffentlich nicht zu schnulzig, bke-Stephan
Und was meint Ihr?
15.09.2023, 12:11 Uhr | bke-Christian
"Queerness" - das ist ein ziemlich stressbesetztes Thema.
Insofern kann ich die geäußerten Schwierigkeiten, sich hier im Forum ausdrücklich dazu zu äußern oder zu positionieren, sehr gut verstehen.
Es braucht etwas Mut dazu.
Im Unterschied zu der Zeit, als ich zwischen 14 und ca. 20 Jahren war, ist Queerness heute ein brennendes Thema - erstritten und umkämpft sehr oft.
-
Es gibt beides, wenn die Fragen der eigenen Identität zur Rede stehen:
Die Angst, selbst verletzt zu werden, wenn "man" sich da irgendwie öffentlich zeigt.
Aber auch die Angst, Andere zu verletzen, wenn "man" dazu eine Stellung bezieht.
-
Ich erlebe in Gesprächen und Begegnungen oft, dass sich queere Identitäten gegen auferlegte Identitäten bilden, gegen - auch eigene - Vorstellungen von dem, was es ist, eine Frau oder ein Mann werden zu sollen - oder: zu sein..
Das Ringen um die Anerkennung einer queeren Identität ist häufig - im Rahmen meiner Erfahrungen mit der Queerness Anderer - sehr schmerzlich.
Und für viele Menschen, für die "Queerness" etwas sehr abseitiges ist, ist es schwer, sich überhaupt entspannt auf die damit verbundenen Fragen einzulassen.
Meistens ist von Anfang an Hochspannung in den Gesprächen.
Und vor Hochspannung ziehe ich, z. B. , mich gern zurück. Die halte ich nicht so gut aus.
LG -
bke - Christian
14.09.2023, 20:39 Uhr | bke-Claudia
Guten Abend liebe User*innen und Moderator*innen,
offensichtlich ist es doch recht schwer, hier in einem Forum über das Thema "alles verque(e)r" zu schreiben.
Vermutlich sind es Zurückhaltung und oder Verwirrung wie bke-Lorenz schrieb.
Vielleicht trauen sich nach und nach doch einige hier zu schreiben.
bke-Claudia
Zuletzt editiert am: 14.09.2023, 21:19 Uhr, von: bke-Claudia
01.09.2023, 11:43 Uhr | bke-Lorenz
Hallo Socke,
dein Beitrag in diesem Thread zum aktuellen Monatsthema "Alles verque(e)r?" scheint mir ein sehr wichtiger zu sein, vielen Dank. Möglicherweise macht sich bei anderen auch Unsicherheit oder Verwirrung breit, was zu Zurückhaltung führen könnte. Allein das schon mal wahrzunehmen und mit anderen hier zu teilen ist enorm wichtig, denn es ist ja m. E. eben ein zentraler Bestandteil dieser Thematik. Dein Post macht also durchaus Sinn ! Diese Unsicherheit spricht ja auch der gute Kollege bke-Gregor in seinem Post gewissermaßen an.
Hm..., lasst diese Gedanken ruhig bei euch setzen, dieser Thread ist geduldig und hat einen langen Atem ... und freut sich immer über eure Beiträge !
Viele Grüße und ein schönes Wochenende für euch alle,
bke-Lorenz
Zuletzt editiert am: 01.09.2023, 11:45 Uhr, von: bke-Lorenz
01.09.2023, 10:47 Uhr | Socke2005
Hey,
ich finde das Thema sehr wichtig, sehr interessant und zugleich auch sehr nah und verwirrend für mich persönlich.
Und ich würde so gerne was schreiben, was fragen, was sagen... und merke aber wie schwer es mir fällt und unsicher ich bin und es dadurch irgendwie nicht hinbekomme im Moment.
Und wie ich zugleich jeden Tag erneut hoffe, dass hier jemand schreibt/geschrieben hat und ich vlt dadurch den Mut finde zu schreiben, zu fragen, zu sein.
Sorry mein beitrag ergibt nun vermutlich keinen wirklichen Sinn für Euch.
Aber irgendwie war mir das wichtig.
Lg Socke
"Und da ich auf dieser Erde, keinen Weg finde,
so gehe ich einfach fort, in eine andere Welt."
31.08.2023, 10:01 Uhr | bke-Gregor
Ich finde es Klasse, dass es die Freiheit gibt selbst zu definieren wer man ist oder sein will. Aber ich frage mich, frage Euch: Ist das denn immer so einfach oder sogar schön wie überall propagiert wird?? Ist es nicht auch wichtig und gut sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen, an der man sich orientieren kann? Natürlich kann das auch eine queere Gruppe sein, von Jugendlichen, die genauso suchen oder sich von Klischee befreien, aber findet man die, wenn man am Land wohnt oder sich einfach nur "komisch" fühlt und nicht weiß wohin?
bke-Gregor